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Erwartungsmanagement, interkulturell

“Ein Fisch weiß nicht, dass das Wasser sein Element ist, bis er herausgenommen wird”. Im interkulturellen Lernen ist es manchmal ähnlich. Was ist Ihr Element, was ist die Umgebung, in der Sie sich wohl fühlen? Was ist für Sie normal? Diese Fragen stehen in engem Zusammenhang mit den Kulturen und der Art, Dinge zu tun und zu kommunizieren, denen Sie ausgesetzt waren: in Ihrem Land, in Ihrer Schule, in Ihrer Familie. Bitte beantworten Sie die folgenden drei Fragen nur für sich selbst und spontan:

Auf einer Skala von 1-10 ...

  • Wie explizit kommunizieren Sie und wie explizit sollten andere (mit Ihnen) kommunizieren? Eher überdeutlich (1) oder mit versteckten Hinweisen (10)
  • Wie verpacken Sie ihr (negatives) feedback? Gar nicht, das heißt sehr direkt (1), oder ausgesprochen indirket (10)?
  • Ist für Sie normal, dass Entscheidungen so getroffen werden, dass immer alle Teammitglieder einbezogen werden (1), oder liegt die Entscheidung stets bei der Führungskraft, die das auch durchdrücken darf (10)?

Die oben genannten sind nur drei der Kategorien, welche die interkulturelle Trainerin Erin Meyer als typisch für kultureller Unterschiede identifiziert hat. In ihrem Modell liegt die Normalität in jeder (nationalen) Kultur irgendwo zwischen direkter und indirekter Kommunikation, zwischen direktem negativem Feedback oder sehr indirektem negativem Feedback, zwischen egalitärer Entscheidungsfindung und Top-Down-Entscheidungen durch den einen und einzigen Chef. In der Euregio Maas-Rhein können diese und andere Kategorien durchaus unterschiedlich bewertet werden. Gleichzeitig arbeiten über 26.000 Menschen in der Euregio Maas-Rhein in einem anderen Nachbarland als in dem, in dem sie leben. Zehntausende andere haben ein anderes kulturelles Erbe und sind aus beruflichen, studentischen oder privaten Gründen in diese Grenzregion gekommen. Interkulturelle Unterschiede sind damit durchaus ein wichtiges Thema.

“Typisch” Deutsch, belgisch, Niederländisch setzt immer einen Vergleich voraus. Sind die Deutschen pünktlich? Nicht im Vergleich zu Schweizern! Sind die Niederländer egalitär? Nicht im Vergleich zum typischen Schweden. Was ist “gute” Kommunikation? Was ist “höfliches” oder “wünschenswertes” Verhalten?

Selbsteinschätzung

Nehmen wir an, eine hypothetische Christina Zimmermann hat die obigen drei und sieben weitere interkulturelle Fragen beantwortet. Ihre persönliche, kulturelle “Normalität” sähe dann zum Beispiel wie folgt aus:

  • Christina Zimmer (CZ) kommuniziert eher indirekt und baut auf Kontextwissen (6), erste Dimension in der Graphik unten
  • Christina Zimmer (CZ) gibt Feedback eher indirekt (6), zweite Dimension auf der Skala
  • Christina Zimmer (CZ) findet es eher normal, dass Entscheidungen Top-Down getroffen werden (7), dritte Dimension auf der Skala.

Das Profil zeigt, dass sich Christina Zimmermann wie folgt empfindet: Zurückhaltend oder indirekt mit Kritik, Wert auf Pünktlichkeit, Akzeptanz dafür, dass Entscheidungen (manchmal) von oben nach unten getroffen werden können. Zumindest nimmt sie sich so subjektiv in dem Umfeld wahr, in dem sie lebt oder arbeitet.

Werfen wir nun einen Blick darauf, wie ein (stereo-)typisches belgisches, deutsches oder niederländisches Verhalten im Durchschnitt aussehen könnte. Welches Verhalten gilt als wünschenswert, erwartbar, normal? Was ist (angemessen) höflich, was stößt negativ auf?

Aus der ersten Kategorie können wir ersehen, dass in Belgien eine indirektere Art der Kommunikation üblich ist (hoher vs. niedriger Kontext). Auch Kritik wird hier – im Vergleich zu Deutschland und den Niederlanden – eher indirekt geäußert. Vgl. hierzu unser Modul zum Arbeitsalltag in Belgien.

Man kann das persönliche Ergebnis und die vorherrschende “Normalität” durchaus übereinander legen. Das gibt erste Aufschlüsse, um Ihr persönliches “Normal” zu unterscheiden und zu erkennen, was Sie in einer neuen (Arbeits-)Kultur irritieren – oder auch erfreuen könnte.

Sind Ihnen bspw. egalitäre und “flache” Strukturen wichtig, werden Sie in den Niederlanden vermutlich mehr Gelegenheiten haben, einen entsprechenden Arbeitgeber zu finden. Hier wird es gleichzeitig interessant: Vielleicht sind Ihnen “typische” deutsche Arbeitsabläufe zu hierarchisch. Vielleicht finden Sie dennoch, dass die Chefin mehr Befugnisse haben sollte, als das in manch Niederländischer Firma akzeptiert würde.

Dreiländereck- unterschiedlich und doch ähnlich

Die Einordnung und die eigene Einschätzung sind immer relativ. Die kommunikation in Belgien ist manchmal indirekt – aber stets sehr viel forscher als das in China der Normalfall wäre, vergleiche Abbildung unten, der Vergleich des euregionalen mit dem chinesischen “Normal”:

Die obige Überlegung lässt sich leicht am Beispiel einer Deutsch-Belgisch-Niederländisch-Chinesischen WG veranschaulichen, in unserem Modul “Dreiändereck – Unterschiede und Gemeinsamkeiten“.

Zum Weiterlesen

Kulturdimensionen können grob mit Werten verglichen werden, die in einer Kultur besonders geschätzt sind. Wenn diese Werte sich unterscheiden oder andere Prioritäten herrschen, kann das durchaus zu Schwierigkeiten und Irritationen führen.

Im Modul “Kulturschock Aachen-Maastricht?” beleuchten wir anhand einiger Beispiele, wie sich Unterschiede in Kulturdimensionen/Werten in kleineren Kulturschocks oder Aha-Momenten niederschlagen. Auch mit Regionalkolorit für Süd-Limburger und Rheinländer.

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Unpünktliche Deutsche und hierarchische Niederlande

Dieselbe Realität mag sich für zwei unterschiedliche Menschen anders anfühlen. Insbesondere, wenn beide Menschen durch den eigenen Kontext, und nicht zuletzt durch die eigene (Landes-)Kultur unterschiedlich geprägt sind.

Auch der Blick auf andere Kulturen ist grenzüberschreitend manchmal paradox: Die “Holländer” gelten in Deutschland als nett und bescheiden, manchem Flamen jedoch als arrogante Geschäftspartner. Beide (Vor-)Urteile greifen viel zu kurz und verkennen die komplexe Realität und subjektive Wahrnehmung.

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