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Dreiländereck: Unterschiede & Gemeinsamkeiten

Ob es nun um Hierarchie, direkte Kommunikation, indirekte Kritik oder um Pünktlichkeitsempfinden geht: In Belgien gilt ein etwas anderer Standard als in Deutschland, und hier gilt ein anderes “normal” im Vergleich zu den Niederlanden. Andererseits sind die drei Nachbarländer sich im globalen Vergleich auch gar nicht unähnlich.

Unterschiede

Die Graphik unten sagt etwas über allgemeingültige “Kulturdimensionen” rund ums Dreiländereck aus. Das Empfinden von “normal”, “höflich”, “angemessen” geht dabei besonders im Geschäftsleben durchaus auseinander. Es geht dabei konkreter um Fragen wie:

  • Wie direkt wird kommuniziert? Muss man alles überdeutlich sagen (1) oder reichen Andeutungen (10)
  • Wird negatives Feedback sehr direkt (1) geäußert oder geht es beim Kritisieren trotz allem sehr stark darum, das Gesicht des anderen zu wahren (10)?
  • Wieviel Hierarchie ist normal? Ist sehr viel Mitbestimmung gewünscht (1) oder erwartet man die Entscheidungskraft und Verantwortung ausschließlich von Chef / Chefin (10)?
  • Was ist höflich, welcher Zeithorizont ist “bald” und “pünktlich”? Und vieles mehr

Derartige Zahlen vereinfachen eine grobe Orientierung, auch mit Durchschnittswerten für ganze Länder. Soche Zahlenwerte sollten aber immer nur ein erster Schritt sein. Es kann helfen, eigene Erfahrungen und Empfindungen besser einzuordnen und zu analysieren. Dennoch: Es spielen Tausende Faktoren rein, und ein Landesdurchschnitt kann sich von Branche zu Branche und natürlich bei jeder Einzelperson sehr stark unterscheiden. 

Bei aller Relativierung: Durchschnittswerte  wie diese im Modell unten können helfen zu verstehen, was im Nachbarland als “normal” oder erwartbar gilt. Das hilft, interkulturelle Herausforderungen zu benennen und zu meistern.

Andere Normalitäten auf kurzen Abstand

Erklärungen zur Graphik

Aus der ersten Kategorie können wir ersehen, dass in Belgien eine indirektere Art der Kommunikation üblich ist (hoher vs. niedriger Kontext). Auch Kritik wird hier – im Vergleich zu Deutschland und den Niederlanden – eher indirekt geäußert. Mehr zum Thema im Modul “Kulturschock Deutschland-Belgien?”

Man kann das persönliche Ergebnis und die vorherrschende “Normalität” durchaus übereinander legen. Das gibt erste Aufschlüsse, um Ihr persönliches “Normal” zu unterscheiden und zu erkennen, was Sie in einer neuen (Arbeits-)Kultur irritieren – oder auch erfreuen könnte.

Sind Ihnen bspw. egalitäre und “flache” Strukturen wichtig, werden Sie in den Niederlanden vermutlich mehr Gelegenheiten haben, einen entsprechenden Arbeitgeber zu finden. Hier wird es gleichzeitig interessant: Vielleicht sind Ihnen “typische” deutsche Arbeitsabläufe zu hierarchisch. Vielleicht finden Sie dennoch, dass die Chefin mehr Befugnisse haben sollte, als das in manch Niederländischer Firma akzeptiert würde. Mehr zum Thema im Modul “Kulturschock Deutschland – Niederlande?

Beispiel:
Kleine und große Unterschiede auf engstem Raum

Trotz aller Unterschiede: Einige Bereiche des Lebens über Grenzen sind mittlerweile stark zusammengewachsen und es gibt vielerlei „hybride Räume“. Eine Deutsche Studentin findet sich bswp. Im belgischen Lanaken, gleich neben Maastricht wieder, in einer WG mit einem Niederländer aus Utrecht, einer Hasselterin (BE) und einer Chinesin aus Shanghai.

Im weltweiten Kontext betrachtet zeigt sich denn auch schnell, dass die drei Nachbarländer durchaus viele Gemeinsamkeiten teilen und sich das Leben so unterschiedlich dann auch wieder nicht anfühlt.  Das was die Länder scheinbar unterscheidet, kann für die neuankommende chinesische Studentin bspw. alles recht ähnlich wirken: In allen drei Ländern ist man im Schnitt sehr viel direkter, sehr viel kritik- und konfliktfreudiger und hat ein insgesamt ähnliches Verständnis vieler Lebensbereiche. Auf der folgenden Graphik sieht man diese Gemeinsamkeiten im globalen Vergleich recht deutlich. Das heißt aber nicht, dass man nich auch als Deutscher in den Niederlanden einen Kulturschock bekommen kann – manche Unterschiede sind beträchtlich, können zu MIssverständnissen führen und rütteln an scheinbar sicher Geglaubtem – vor allem dann, wenn man nicht auf Unterschiede eingestellt ist. Mehr zum Thema auch in unserem Modul “Erwartungsmanagment – Interkulturell“.

 

Die Graphik unten entspricht der Grahpik oben – lediglich China wurde ergänzt. Automatisch erscheint die unterschiedliche “Normalität” in den drei Nachbarländern sehr viel weniger unterschiedlich.

Klarheit durch Außenperspektive

In besagter WG hätte die chinesische Mitbewohnerin also den Eindruck, “alle Europäer“ wären unheimlich direkt, halten mit keiner Kritik zurück und scheuen den offenen Konflikt nicht. Das wird die Belgierin evtl. überraschen, ist sie im Vergleich zu ihren Mitbewohnern stereotypischerweise doch die indirektere und scheut offenen Konflikt. Nach Aufnahme des Studiums wundern sich dann auch die chinesische, deutsche und flämische Mitbewohnerin über die lockere und zugängliche Art des Süd-Limburger Professors.

Für den Neu-Studenten aus Utrecht scheint dieser dagegen viel mehr wert auf Hierarchie und Respektbekundungen zu legen, als er das aus seiner noch minimal egalitäreren Heimatstadt gewohnt sein mag. Man stelle sich nun die Situation einige Monate später vor. Eine deutsche Schulfreundin besucht unsere Studentin in Lanaken und Maastricht. Sie wundert sich, wie locker man hier sogar mit Professoren umgeht, was für unsere WG-Bewoherin doch nun wirklich „normal“ ist. Auch unser WG-Bewohner kriegt Besuch aus Utrecht. Er sei mittlerweile „wie andere Limburger“ ja schon fast ein halber Belgier, hört derjenige, der für seine Mitbewohner noch vor kurzem ein typischer „Holländer“ war.

Wichtig hierbei sind die interkulturelle Fremd- und Eigenwahrnehmung, aber auch der Blick der typische Blick der Nachbarländer aufeinander. Mehr dazu auch in den Modulen

So nah und doch nicht immer intuitiv

Werfen wir noch einmal einen Blick auf den Vergleich zwischen den Ländern der Euregio und dem Beispielland China: In manchen Teilbereichen sind die Unterschiede beträchtlich, mit Potential für Missverständnisse, die ebenso dazu führen können, dass man sich unwohl oder unsicher fühlt – auch das sind Aspekte eines Kulturschocks.

Ein Beispiel, dass viele Deutsche überraschen dürfte: Anhand der hier vorgestellten Kulturdimensionen klaffen die Vorstellungen von höflichem Feedback zwischen den Niederlanden und Belgien zum Teil weiter auseinander als zwischen Belgien und China (!). Und das obwohl man zumindest in Flandern und den Niederlanden sogar die gleiche Sprache spricht. Mehr zum Thema Niederlande – Flandern in unserem gesonderten Modul.

Tatsächlich berichten einige Neuankömmlinge in den Niederlanden, dass die oft sehr direkte Art, in der in den Niederlanden Kritik geübt wird, erstmal schlucken ließ. Und es kann vorkommen, dass selbst Belgisch-Limburger bei Kritik eines Niederländischen Süd-Limburgers etwas schlucken muss – obwohl die Süd-Limburger in den Niederlanden gerade durch ein eher höflich-verhaltenes Wesen mit eher indirekter Kritik auffallen (vgl. Modul zu regionalen Identiäten und Frenzuschreibungen). Derart extreme Unterschiede sind sicherlich Ausnahmeerscheinungen. Sie zeigen jedoch, dass der Blick auf interkulturelle Unterschiede auch zwischen Nachbarländern durchaus lohnt – und auch der Blick auf sich selbst und die eigenen Erwartungen (vgl. Modul).

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